Diese Geschichte wurde mir von Kolle erzählt.
Von Danie Safran
Alles begann an einem normalen Sommertag. Die Vögel zwitscherten vergnügt. Ein kleiner Bach plätscherte friedlich dahin. Die Sonne schien, keine Wolke trübte den schönen Tag. Nein nicht ganz, weit entfernt gab es paar kleinen Wolken. Es war nichts Ungewöhnliches im Sommer, ein paar Gewitter gab es immer. Was auch gut war, denn die Pflanzen brauchten diesen Regen ja auch.
Vermutlich würde auch dieser friedliche Tag mit einem Gewitter enden. Im Wald herrschte deshalb keine Aufregung. Die Bäume schützten sich gegenseitig vor zu viel Wind und Regen.
Die Wolken kamen näher und wurden dunkler und grösser. Schon gab es die ersten Blitze.
Die ersten Regentropfen vielen. Es war Spätsommer und die Bäume hingen voller Samen.
Der Wind wurde immer stärker, so dass sich die Samen gut festhalten mussten um nicht davonzufliegen. Der Himmel wurde Rabenschwarz, so bedrohlich schwarz, dass sogar die grossen, alten Bäume bekamen Angst.
„Es ist nicht wie sonst,“ flüsterten die Bäume,
„diesmal wird es schlimm kommen.“
Ein ganz alter Baum sprach:
„Als ich noch ein junger Baum war, hatten wir ein so schlimmes Unwetter, dass nachher nur noch der halbe Wald stand.“
Der Wind wurde immer heftiger. Es wurde richtig unheimlich. Man konnte die Angst der Bäume spüren.
Schon vielen die ersten Regentropfen und immer heftiger prasselten sie auf die Bäume, deren Laub die Samen beschützten.
Jetzt öffnete der Himmel alle Schleusen. Die Bäume riefen den Samen zu sie sollen sich gut festhalten.
Aber es kam noch schlimmer. Der grosse alte Baum rief den Samen zu,
„wenn ihr euch nicht mehr halten kommt, versucht so nahe wie möglich in die Nähe eines Baumstammes zu fallen, dann können wir euch schützen. Ihr seid unsere Zukunft. Ihr seid die Garantie für unser ÜBERLEBEN.»
Es blitzte, donnerte und regnete und…. N E I N !!!!! Jetzt hagelte es auch noch. Riesengrosse Hagelkörnen prasselten mir voller Wucht auf die Bäume. Die Blätter der Bäume konnten die Samen nicht mehr schützen. Die Samen vielen von den Bäumen und wurden von starken Wind davongetragen.
Das Ganze dauerten nur 10 Minuten und war doch so verheerend. Alle Samen wurden davongeweht oder wurden vom Bach davon geschwemmt.
Doch wartet!!!!!!!!!!!
Ein ganz kleiner Same war noch da. Er ist unmittelbar unter den grossen, alten Baum gefallen. Der kleine Same ist ganz weich gelandet und wurde von Blättern zugedeckt.
Es wurde wieder ruhig im Wald. Fast alle Bäume waren angeschlagen, aber sie wussten die meisten würden sich erholen. Langsam wurde es Nacht.
Die Bäume warteten auf den Morgen, den Winter, den Frühling. Der kleine Same geriet in Vergessenheit.
Der Winter war so gut wie vorüber. Nur an ein paar Stellen waren vereist oder von Schnee bedeckt.
Die Sonne schien mit jedem Tag kräftiger. Die Bäume erholten sich wieder. Sie wussten jedoch, dass ohne die Samen ihr Überleben nicht gesichert war. Es trieben viele Blätter, so dass die Sonne den Boden fast nicht mehr erreichte.
Aber was kam den da neben dem Stamm des grossen Baumes ganz zart und klein hervor?
Der kleine Same streckte ganz sachte und vorsichtig, die ersten kleinen Triebe aus dem Boden.
Jetzt war es wirklich Frühling. Alle Bäume waren ausser sich vor Freude. Ausgerechnet dieser kleine Same. Er war der Einzige der vom Wind nicht davongetragen wurde und der nicht vom Bach weggeschwemmt wurde.
Die Bäume hielten eine Versammlung ab. Sie mussten beraten wie es weitergehen sollte. So gross die Freude auch war, dass der kleine Same beim grossen Baum überlebt hatte, so gross war jetzt auch die Sorge aus demselben Grund.
Der grosse Baum schütze zwar den kleinen Samen vor Wind und Sturm, aber er nahm ihm auch, mit seiner Grösse und dem dichten Blätterwerk, das Sonnenlicht weg. Was war zu tun?
Die Bäume redeten stundenlang über dieses Problem, bis sie sich einig waren. Den Entschluss, den sie fassten, war sehr hart für den kleinen Samen.
Zuerst flüsterten die Bäume nur, so dass der kleine Same sie gar nicht richtig verstand,
„du musst weg von hier.“
doch dann wurden sie immer lauter.
„du musst weg von hier,“
„du musst weg von hier,“
„du musst weg von hier!!!!!“
Der kleine Same wusste nicht wie ihm geschah und er rief ängstlich:
„WARUM?“
Der grosse alte Baum beugte sich zu ihm hinunter und erklärte ihm:
„Du bist noch so klein. Wir nehmen dir mit unserer Grösse und den vielen Blättern das Sonnenlicht weg. Du würdest ersticken, wenn du hierbleiben würdest. Du bist aber auch die einzige Hoffnung, dass unsere Art überleben kann.“
„Aber wie soll ich von hier wegkommen“ fragte der kleine Same,
„und wohin soll ich denn gehen?»
„Das wohin ist ganz einfach,“ meinte der grosse Baum,
„du musst aus dem Wald hinaus, auf eine Lichtung. Das WIE wird schwieriger. Du musst deine Wurzeln aus der Erde ziehen und versuchen zu gehen, zu laufen, zu kriechen, oder springen.“
Das war sehr schwer für den kleinen Samen. Ganz langsam zog der kleine Same, mit ganzer Kraft, seine Wurzeln aus dem Boden. Er setzte eine seiner kleinen Wurzeln vor die Andere. Zum Glück waren seine Wurzeln noch so zart und biegsam.
Er kam langsam, aber stetig voran. Nur kurz schaute er zurück. Er dachte, ein schneller Abschied wäre das Beste.
Als es Abend wurde, war er ganz müde. So weit war er gar noch nicht gekommen. Den grossen Baum konnte er in der Ferne noch sehen. Er war zu müde um noch irgendetwas zu denken. Sobald er stehen geblieben war, schlief er auch sofort ein.
Er wachte früh am Morgen auf. Er wäre am liebsten wieder umgekehrt. Aber solche Gedankenhatten keinen Sinn, er musste weiter und weiter.
Das Laufen ging jetzt schon viel besser. Er kam mit jedem Tag weiter weg vom seinem Zuhause kam. Alles um ihn herum wurde ihm fremd. Die Bäume wurden kleiner und es gab Gras am Boden.
Viele Tage später wachte er am Morgen auf, weil in etwas kitzelte. Es war ein Sonnenstrahl. Das gefiel ihm, es war so schön warm und hell.
Nach ein paar weiteren Tagen, hatte er endlich den Waldrand erreicht. Er stand vor einer riesigen Wiese. Am Ende der Wiese sah er ein paar Bäume. Nein Bäume ist etwas übertrieben. Es waren grosse, kräftige Gebüsche.
Der kleine Same dachte sich, wenn ich mich neben sie pflanze, bin ich nicht mehr alleine. Er machte sich auf den Weg. Am Abend hatte er schon die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht. Noch eine Nacht schlafen und morgen Abend bin ich schon nicht mehr alleine, dachte er.
Am Morgen weckte ihn ein hartnäckiges zupfen.
„AUA,“ schrie er.
Irgendetwas hatte ihn gebissen. Etwas Grosses auf vier Beinen.
Jetzt sprach das grosse Etwas auch noch mit ihm.
„Oh, entschuldige. Ich dachte du siehst lecker aus und wärst ein gutes Frühstück für mich.“
„Ich bin doch Kein Frühstück!!! Ich bin der kleine Same. Und du? Wer oder was bist du?“ Der kleine Same war völlig verängstigt.
„Ich heisse Stern und bin ein Reh. Ich wollte dich wirklich nicht erschrecken. Was machst du denn hier, mitten auf der Wiese?» fragte Stern ganz höflich den kleinen Samen.
Als der kleine Same seine Geschichte erzählte, wurde er wieder ganz traurig. Ihm wurde wieder bewusst was er alles verloren hatte und dass er ganz alleine war.
„Du musst nicht traurig sein,“ sprach Stern,
„hier ist es auch schön und du wirst Freunde und ein neues Zuhause finden.“
Kaum hatte Stern fertig gesprochen, setzte sich ein kleiner Vogel auf einen Pfahl ganz in der Nähe.
„Piep, piep, bist du neu hier?“ wollte der Vogel vom kleinen Samen wissen.
Der kleine Same kannte Stern und den kleinen Vogel noch nicht lange und doch hatte er das Gefühl, er hätte schon neue Freunde gefunden.
Jetzt konnte er jemanden Fragen, wie es hier auf der Wiese so zu und herging. Der kleine Vogel Piepte ein paar Mal und sagte dann,
„ich heisse Matz. Ich lebe schon seit zehn Wochen hier, aber dich habe ich hier noch nie gesehen. Wer bist du?“
Der kleine Same wollte sich vorstellen,
„ich, ich, ich heisse…… ich weiss gar nicht wie ich heisse. Alle haben mich immer kleiner Samen genannt.“
„Dann brauchst du unbedingt einen Namen,“ meinte Stern. Dieser Meinung war auch Matz.
Matz machte auch sofort ein paar Vorschläge.
„Wie wäre es mit Hansi, oder Mausi?“
„nein, nein!“ rief Stern,
„er ist ja kein Vogel. Er braucht einen Baumnamen. Und weil er so klein ist braucht er einen imposanten Namen. Mmmmmmh mal nachdenken ……. Wie wäre es mit ANDERWALD? Du kommst ja aus einem anderen Wald und bist nicht so wie die Gebüsche hier. Was meinst Du?“
„Anderwald, Anderwald………klingt gut,“ meinte der Kleine Same.
Matz und Stern freuten sich. Sie meinten auch Beide, dass das ein guter Name sei.
„Dann sehen wir uns noch öfters,“ sagten die Beiden.
Anderwald verabschiedete sich von seinen neuen Freunden und machte sich auf den Weg zu den Gebüschen.
Am Nachmittag war er bei den Gebüschen angekommen. Er dachte es wäre wohl das Beste, wenn er sich erst mal freundlich vorstellen würde.
„Guten Tag. Ich heisse Anderwald. Ich möchte mich gerne, hier bei euch, niederlassen.“ Sagte er freundlich. Da gab es ein Getuschel und Gemurmel unter den Gebüschen.
„Was ist denn das für einer? Und was glaubt der denn?“
Das Gebüsch in der Mitte sprach ihn direkt an.
„Da könnte ja jeder kommen und sich bei uns ins gemachte Nest setzen. Wir sind hier unter uns und das soll auch in Zukunft so bleiben. Wir wollen keine Bäume die uns das Sonnenlicht wegnehmen. Woher kommst du überhaupt?“
„Ich komme aus dem tiefen Wald und konnte dort nicht bleiben weil die Grossen Bäume das Sonnenlicht zu sehr verdeckten. Also seht ihr, ich möchte aus demselben Grund wie ihr hier sein. Ich versuche euch nicht zu stören. Es gibt doch hier genug Sonnenlicht und Platz für uns alle,“ sagte Anderwald.
Wieder ging das Getuschel los. Es dauerte und dauerte.
„Also gut, du kannst hierbleiben, aber nicht mitten unter uns. Dort auf der Seite, nicht zu nah bei uns,“ erklärte das Gebüsch aus der Mitte. Dieses Gebüsch schien der Chef zu sein.
Anderwald stellt sich auf die Seite, welches ihm das Gebüsch gezeigt hatte. Schon schrie das grosse Gebüsch:
„NICHT SI NAH BEI UNS !!!“
Anderwald rückte noch ein Stück weiter weg.
„Das ist immer noch zu nah,“ motzte das grosse Gebüsch.
Anderwald merkte schnell, dass er hier zwar nicht alleine war, aber trotzdem nicht willkommen.
Die Tage kamen und gingen. Trotz der unfreundlichen Gebüsche, fing er an sich hier zuhause zu fühlen.
Regelmässig besuchten ihn Matz und Stern. Sie plauderten mit ihm über Dieses und Jenes. Nicht nur die Tage, die Wochen, die Monate und sogar die Jahre gingen ins Land.
Der kleine Anderwald war gar nicht mehr so klein. Seine Wurzeln gruben sich schon tief in die Erde. Aus seinen kleinen, feinen Ästchen sind Äste geworden. Sein Stamm war schon richtig dick.
Auch die Gebüsche hatten sich an ihn gewöhnt, wollten allerdings nach wie vor nichts mit ihm zu tun haben.
Stern legte sich gern in seinen Schatten und Matz zwitscherte am Liebsten in seinen Ästen.
Eines Tages kam Matz und fragte ihn:
„Du Anderwald, wir kennen uns doch schon viele Jahre, oder?“
Anderwald dachte schon was jetzt auf ihn zukommen könnte.
„Ja das ist so. Wir sind schon sehr lange Freunde,“
Matz wurde etwas verlegen als er weitersprach.
„Weisst du Anderwald. Ich habe eine Vogeldame kennengelernt und es ist Frühling und ähm ….ich …..ähm ….nunj a… also ich möchte….,»“
„Wie lang möchtest du noch um den heissen Brei herumreden?“ wollte Anderwald wissen.
„Also es ist so, wir würden gern ein Nest bauen und wollten fragen ob wir das in deinen Ästen tun dürfen.“
So jetzt war es gesagt und Matz war ziemlich erleichtert. Obwohl Matz keine roten Federn hat, sah man einen leichte Schimmer rosa an seinen Seiten.
Jetzt war Anderwald ganz aus dem Häuschen.
„In meinen ÄSTEN, ein kleines Nest, eine kleine Vogelfamilie! Das wäre toll. Wann wollt ihr mit dem Nestbau beginnen?“
„Am liebsten sofort, wenn das geht?“ Er piepste wie verrückt.
Erst jetzt kam, eine schüchterne Vogeldame aus den Gebüschen geflogen und setzte sich zu Matz auf den Ast.
Matz stellte die Vogeldame vor,
„das ist Flatter. Sie heisst Flatter, weil sie, wenn sie nervös ist, immer herumflattert. Und sie ist fast immer nervös.“
„Guten Tag Herr Anderwald,“ sprach sie und flatterte wie verrückt mit den Flügeln,
„können wir wirklich sofort mit dem Nestbau beginnen?“
Anderwald musste lachen.
„Herr Anderwald hat mich noch niemand genannt. Lass doch bitte das Herr weg, und natürlich könnt ihr sofort beginnen. Ich freue mich schon auf eure flatternden, piepsenden Kleinen.“
Schon ging es los, Matz und Flatter suchten ganz aufgeregt das Material für ihren Nestbau zusammen. Kleine Ästchen, getrocknete Gräser, Moos und vieles mehr.
Es war ein emsiges, fleissiges hin und her. Das ging ein paar Tage so. Dann war es plötzlich ruhig.
Anderwald machte sich schon sorgen.
„Matz, Flatter ist bei euch alles in Ordnung?“
Matz kam angeflogen, er wirkte sehr zufrieden und er sagte, mit vor Stolz aufgeplusterten Brust:
„Es ist alles in Ordnung. Flatter wirst du eine Zeitlang nicht sehen, denn sie hat Eier gelegt und passt nun, bis zum Schlüpfen auf sie auf.“
Anderwald wollte wissen wie lange er Flatter nicht sehen würde, wie lange es denn dauern würde. Das konnte Matz ihm nicht genau sagen, er meinte nur,
„wenn sie geschlüpft sind, dann sind sie eben da.“
Anderwald hörte Flatter leise sagen,
„Männer!“
Wie auf ein Stichwort kam Stern angelaufen und wollte wissen was los sei. Anderwald erklärte es ihr.
„Da freue ich mich für euch. Dann werden eure Kinder noch vor meinem auf der Welt sein. Bei mir dauert es noch acht Wochen. Bei Matz und Flatter nur etwa vier Wochen. Herrlich, es gibt wieder Leben auf dieser Lichtung.“
Anderwald wollte höflich sein und sagte zu den Gebüschen,
„Wisst ihr schon, dass es hier bald viele Kinder spielen werden?“
Das passte natürlich den Gebüschen, schon aus Prinzip, nicht.
„Pass bloss auf, dass sie auf deine Seite bleiben. Sie sollen sich von uns fernhalten,“ murrte das grosse Gebüsch.
Ihr denkt vielleicht, dass Flatter die ganze Arbeit mir den Eiern alleine erledigt. Matz versorgte sie dabei grosszügig mit Futter und Wasser.
Langsam ging der Frühling in den Sommer über. Anderwald spürte die Nervosität von Matz und Flatter. Auch Stern hatte schon einen recht ansehnlichen Bauch, sie wirkte unruhig und müde.
Und dann eines Morgens war es soweit. Zuerst war es noch ruhig, so, dass Anderwald ganz genau hinhören musste. War da nicht ein kleines knacken zu hören? Da schon wieder. Und was war das jetzt? Ein leises
„piep piep piep“ war zu hören und schon wieder,
„piep piep piep,“
Matz rief ganz laut:
„Anderwald, Anderwald! Meine Kinder schlüpfen!!!“ Die Aufregung war gross. Es knackte noch zweimal und wieder das,
„piep piep piep.“
Vier kleine Vögel waren geschlüpft. Mit Matz war im Moment nichts anzufangen. Er flatterte wie wild umher, er war gar nicht sich selbst. Allen sagte er, ob sie es hören wollten oder nicht.
„Ich habe vier Kinder, vier wunderschöne Kinder.“
Nun wagte auch Anderwald ins Nest zu schauen.
„Aber Matz was fehlt den deinen Kindern? Sie sind ja ganz nackt.“
„Ach Anderwald, das ist ganz normal. Vogelkinder schlüpfen nackt aus den Eiern. Die Federn kommen nach und nach. Sie sind ganz gesund und normal,“ erklärte Matz.
Jetzt brach eine strenge Zeit für Matz und Flatter an. Die vier Jungvögel wollten gefüttert werden. Anderwald schaute jeden Tag nach den Kleinen. Wenn es regnete legte er ein Blätterdach über das Nest. Nach drei weiteren Wochen waren die Kleinen komplett, wie Anderwald sich ausdrückte. Das heisst sie hatten ein schönes Federkleid und richtige Flügel.
Und dann, was war denn das? Stern war auch nicht mehr alleine. Ein wunderschönes Kitz war an ihrer Seite.
„Hallo Anderwald, darf ich dir meine Tochter vorstellen, und zu ihrer Tochter sagte sie,
„komm hervor und zeig dich. Anderwald, das ist Brise.“
„Oh Stern sie ist wunderhübsch und noch so klein und zerbrechlich. Hallo Brise, ich bin Anderwald. Ich bin ein Freund deiner Mutter. Darf ich auch dein Freund sein?»
Stern erklärte ihm, dass sie erst zwei Tage alt ist und noch ziemlich scheu.
„lass ihr etwas Zeit.“
Die Tage waren angefüllt mit dem Spiel der Jungtiere. Die Kleinen Piepmatze wurden gross und flügge. Auch Brise war eine schöne junge Reh Dame geworden. Matz und Stern bekamen noch viele Kinder, die alle in seinem Geäst aufgezogen wurden. Stern stellte ihm noch viele Kinder vor. So bekam er nach und nach viele Freunde.
Aus Anderwald war ein grosser und mächtiger Baum geworden. Er war eine imposante Erscheinung.
Die Jahre flogen nur so vorbei. Anderwald wurde von den Gebüschen immer noch schief angesehen. Sie ärgerten, dass er so gross geworden war. Sie beklagten sich, weil er viele Blätter hatte und ihnen das Sonnenlicht stehlen würde. Also nichts Neues.
Es wurde wieder einmal Frühling und dann Sommer und immer wieder gab es Stürme, oder Gewitter. Anderwald fürchtete sich immer noch vor Blitz und Donner.
Wieder war ein schöner Sommertag. Die Vögel zwitscherten aufgeregt. Am lautesten Matz. Stern kam wie so oft und legte sich in seinen Schatten. Nun so ganz war es nicht wie andere Tage. Flatter war noch nervöser als an anderen Tagen.
„Hei Flatter, du flatterst heute mehr wie sonst und auch du Matz wirkst aufgeregt,“ meinte Anderwald. Jetzt viel ihm auch auf, dass Stern beunruhigt die Ohren flachlegte.
„Hörst du es denn gar nicht,“ fragte Stern.
„Nein ich höre gar nichts.“
„Eben, es ist so still. Keine Biene summt herum, kein Vogel ist in der Luft.“
Jetzt wurde auch Anderwald bewusst wie still es war. Eine schlimme Vorahnung beschlich ihn.
„So etwas habe ich schon einmal erlebt.
„Du meinst damals als du von zuhause fortgehen musstest?»“ Jetzt schaute auch Matz noch ängstlicher.
„Jaaa,“ hauchte Anderwald.
Die Gebüsche riefen ihnen zu, sie sollen aufhören alle so schwarz zu sehen.
Aber schon zogen die ersten Wolken auf.
Anderwald zitterte, es war wie damals. Die ersten Blitze zuckten am Himmel. Der Wind war auch viel viel stärker geworden. Aber noch kein einziger Tropfen war gefallen.
Anderwald rief den Gebüschen zu, die immer näher zueinander rückten.
„Ihr dürft euch nicht so zusammendrängen. So hat der Wind eine zu grosse Angriffsfläche.“
Natürlich hörten sie nicht auf ihn. Der Sturm wurde immer heftiger. Jetzt blitzte und Donnerte es ununterbrochen.
Platsch jetzt kam der Regen, und wie, nicht langsam, sondern so als ob man Eimer um Eimer ausleeren würde. Innert kürzester Zeit waren schon fünf, sechs, sieben Bäche auf der Wiese entstanden und das war gar nicht gut.
Das Wasser unterspülte vor allem die Gebüsche und der Wind tat sein übriges. Schon drohten die kleineren Gebüsche weggespült zu werden. Das Geschrei war gross.
Anderwald überlegte nicht lang. Er hat es schon einmal gekonnt, er würde es wieder können. Er zerrte an seinen Wurzeln, die tief im Boden steckten. Endlich gelang es ihm sie herauszuziehen. Es war schwierig sich so zu bewegen. Er war ja ein mächtiger Baum. Aber Anderwald dachte nicht darüber nach, was ihm passieren könnte. Er sah nur die in Not geratenen Gebüsche. Wurzel für Wurzel bewegte er sich auf die Gebüsche zu. Er wurde vom Wind hin und her gerissen. Er stellte sich auf die Sturmseite der Gebüsche, so dass sie in seinem Schutz standen. Sofort versuchte er seine Wurzeln in die Erde zu graben.
Weil vom Regen alles aufgeweicht war, gelang es ihm auch schnell. Gerade rechtzeitig war er fertig, denn jetzt schmetterte der Himmel Eier grosse Hagelkörner auf sie herab. Das hätten die Gebüsche ohne ihn nicht überlebt.
Endlich war alles vorbei. Um Anderwald war ein Gestöhne und Gejammer, ein paar weinten.
„Seht nur wie ich aussehe, fast alle Blätter sind weg und die die mir noch geblieben sind haben Löcher,“
„Bei mir auch.“
„Ich sehe auch nicht besser aus.“ So ging es weiter.
Matz und Flatter kamen angeflogen, sie wollten gleich wissen wie es Anderwald ging.
„Anderwald warum stehst du denn bei den Gebüschen?“
„Das war so…“ begann er. er wurde vom grossen Gebüsch unterbrochen,
„ich als das Oberhaupt der Gebüsche, konnte die Gebüsche nicht mehr schützen und Herr Anderwald hat das gesehen und…. Und er hat sich. ohne an sich zu denken, so völlig selbstlos, einfach vor uns gestellt und …. Ach… Herr Anderwald wir waren doch die ganzen Jahre nicht nett zu Ihnen und trotzdem haben sie uns gerettet. Ich weiss nicht wie wir bedanken und vor allem weiss ich nicht wie wir uns entschuldigen können.“
Das Gebüsch schaute in die Runde,
„ich… WIR möchten Sie bitten hier mitten unter uns zu bleiben. Wir haben zu lange nicht gemerkt, dass wir und gegenseitig brauchen.“
Soviel hatten die Gebüsche noch nie mit ihm gesprochen. Anderwald war ganz gerührt. Er versuchte sein zerzaustes Blattwerk etwas imposanter herzurichten und musste plötzlich lachen,
„ha haha haha ha ha, wir sehen alle etwas zerzaust drein, eigentlich sehen wir alle fast gleich aus.
Und leise zu sich selber sagte er,
„Endlich bin ich ZUHAUSE.“